03:59:20 Ich bin total fertig. Die Beine tun weh und alles andere auch.
Aber von Anfang an. Die Nacht war kurz. Richtig schlafen konnte ich irgendwie nicht. Trotzdem um 06:50 aufstehen, kurz frühstücken und mit dem Auto nach Spijkenisse. Co-Trainerin F. ist mit dabei, also was kann schon schief gehen. Nix!
In Spijkenisse steigen wir in die Metro um und ab nach Rotterdam. Die U-Bahn füllt sich auf jeder Station weiter mit Läufern. Die Spannung steigt. Treffpunkt ist das WTC an dem der Coach, Günter und Hansjörg bereits warten. Nachdem wir herausgefunden haben wo man die Kleiderbeutel loswerden kann, geht es in die unterschiedlichen Startblöcke. Der Coach startet aus Block C, wir anderen in E. Das Wetter entwickelt sich prächtig und es wird langsam wärmer. Günter und ich hatten unsere Taktik vorher ausführlich besprochen. In 05:40 loslaufen und das Ganze bis zum Ziel durchhalten. SUB 4 ist das Ziel. Hansjörg läuft schneller, wird also alleine laufen.
Start! Nur 3 Minuten nach den Topläufern sind auch wir schon auf der Strecke. Der Tross zieht über beide Seiten des Coolsingel Richtung Erasmusbrug. Auch auf der Brücke nutzen wir beide Fahrtrichtungen. Das sieht schon klasse aus. Es sind zwar jede Menge Läufer unterwegs aber durch die breiten Straßen staut es sich nicht und wir können völlig unbedrängt laufen. Das erste km-Schild sehen wir erst bei km 3. Ein Blick auf die Uhr sagt mir, dass wir einen Tick zu schnell sind. Also ein wenig Tempo raus und weiter im 05:40er Schnitt. Alles läuft super. Bei km 10 denke ich noch, das ist ja einfach. Ich spüre meine Beine kaum, es läuft locker und flockig. 5 km später stockt es bei Günter. Sein Knie meldet sich. Sch… Aber weiter geht’s. Was von selber kommt, geht auch von selber. Der Spruch ist natürlich Quatsch und das findet das Knie auch. Bei km 22 schickt Günter mich alleine auf die Reise. Er, oder besser sein Knie, braucht ne Pause. 7 km weiter steigt er dann aus, aber das erfahre ich erst hinterher. Also laufe ich nun alleine weiter und muss es ohne Günters Unterstützung schaffen. Diese verdammten zweistelligen km-Zahlen, die machen mich verrückt. 25, 28, 32… Das hört sich alles so verdammt viel an. Also rechne ich anders. Ab km 23 fange ich an abwärts zu zählen. Noch 9 bis 32. Noch 8 bis 32 usw. usw. Das alles nur, weil ich ab km 32 wieder runter rechnen kann. Nur noch 10, dann noch 9 bis Ende, noch 8 bis Ende usw. Irre, oder? Diese bescheuerte Rechnerei dient nur einem Zweck: Ablenkung!
Bei km 28 kommt mir der Coach entgegen. Die Strecke kreuzt sich hier, er ist bereits bei km 40, und ein Blick auf die Uhr sagt mir, dass er unter 3 Stunden bleiben wird. Wahnsinn!!!! Wir feuern uns gegenseitig noch mal an.
Was für ein geiles Gefühl als ich km 32 hinter mir lassen kann. Ab jetzt wird es einstellig und das kann doch nicht mehr so schwer sein. Weit gefehlt. Alle Sprüche über den Marathon, die ich bisher gehört habe, sind tatsächlich war. Der ganze Kram wir erst ab km 35 richtig hart. Und genau dort gibt es eine tolle Verpflegungsstelle mit Musik, Orangen, Bananen und vielen, vielen Zuschauern. Das motiviert noch mal so richtig. Ich laufe aufrecht und gebe alles. Leider ist hinter der nächsten Kurve der Spuk vorbei und die Schultern sacken in sich zusammen. Glücklicherweise aber nur für einen Moment. Ich denke wieder an Maringe. Ihr Kampf ist um soviel härter als meiner. Ich laufe hier auch für sie. Also Zähne zusammenbeißen und durch. Ich kann den Schnitt halten und merke zwischen km 37 und 39 dass jetzt die Entscheidung fällt. Links und rechts neben mir wird gegangen, gelitten und geflucht. Wenn ich jetzt durchhalte dann knacke ich die 4-Stunden Marke. Bei km 40 weiß ich dass ich es schaffe. Noch 2,195 km und ich kann auf jedem Kilometer 20 Sekunden verlieren. Ich ziehe durch und laufe die letzten sogar noch unter 05:40.
Der Zieleinlauf ist der Wahnsinn. Da ich genau weiß, dass ich 40 Sekunden Luft habe, kann ich ganz locker einlaufen und es so richtig genießen.
Hinter der Ziellinie tut’s dann richtig weh. Meine Beine, meine Hüfte, eigentlich alles.
Aber zuerst hole ich mir noch den Handschlag von Ahmed Aboutaleb ab, dem neuen Bürgermeister von Rotterdam. Er begrüßt tatsächlich jeden Finisher mit Handschlag. Danach gibt’s die Medaille und die Zielverpflegung, die nicht gerade üppig ist. Aber was soll’s? Das ist mir ziemlich egal. Ich sitze auf einer Bank und möchte irgendwie nicht mehr aufstehen. Da wir uns aber alle um halb vier bei den Kleiderbeuteln treffen wollten, muss ich wohl oder übel weiter und wandere mehr schlecht als recht bis zum „Grafisch Lyceum Rotterdam“. Der Coach und Hansjörg erwarten mich schon und freuen sich über mein Finish. Besonders der Coach ist begeistert, was mich natürlich extrem freut. Schließlich habe ich ihm das Ganze zu verdanken.
Nur von Co-Trainerin F. fehlt jede Spur. 10 Minuten später taucht sie, total enttäuscht, am Treffpunkt auf. Sie stand seit 1,5 Stunden im Zieleinlauf und wollte uns dort bejubeln. Leider hat sie aber keinen von uns erwischt und sie überreicht uns darum jetzt erst die Siegerblumen.
Nach einer kurzen Analyse des Wettkampfes treten wir alle den Heimweg an. Der Coach und Hansjörg Richtung Noordwijk und F. und ich nach Hause. Unterwegs stoppen wir noch beim Lekkerbek in Vrouwenpolder um uns Kibbeling, Picanto und Frietjes zu besorgen. Lekker!!!!
Der Marathon in Rotterdam ist geschafft.
5 Minuten nach dem Zieleinlauf habe ich gedacht, so was machst du nicht noch mal.
Einen Tag nach dem Zieleinlauf dachte ich, so was machst du dieses Jahr nicht noch mal.
Jetzt, zwei Tage nach dem Zieleinlauf, denke ich, na ja, vielleicht im Herbst? 😉